Gespräche
Günther Ott im Gespräch mit Erich Elsner
OTT: In diesem Frühjahr wurden Sie, Herr Elsner, in der Presse in Artikeln und Nachrichten anläßlich Ihres siebzigsten Geburtstages geehrt. Sie hatten auch eine Ausstellung.
Geboren wurden Sie am 16. März 1911 im oberschlesischen Grunau und leben seit 1958 in Ratingen bei Düsseldorf. Dazwischen liegen viele Stationen in ihrem Leben. Bevor wir uns über Ihre Kunst, also über Ihre Themen und Motive, Ihren Stil oder Ihre Stile, Aufträge und so weiter unterhalten, bitte ich Sie, sehr verehrter Herr Elsner, uns über Ihren Werdegang kurz zu informieren. Etwa zu berichten woher Sie kommen, wie Sie zur Bildhauerei fanden, wo Sie gelernt haben, und wann und wohin Sie in den Westen übersiedelten.
ELSNER: Mit dem elften Lebensjahr zog ich mit meinen Eltern nach Neisse/OS und wurde dort sehr durch die vielen Kirchen und deren Plastiken angeregt. Ich habe schon als Kind gezeichnet, wußte aber nicht um die Dimension des Plastischen.
OTT: Sie haben zu Hause oder in der Schule gezeichnet, oder beides ?
ELSNER: Beides – zu Hause und in der Schule. Dieses Erlebnis der vielen kirchlichen Plastiken war mir etwas völlig neues. Ich habe dann mit 14 Jahren in Neisse bei einem Holzbildhauermeister gelernt. Dieser war ein sehr liebenswürdiger Mensch und er hat mir, als es etwa Anfang 1927 schlecht wurde mit bildhauerischen Aufträgen, geraten nach Bad Warmbrunn im Riesengebirge zu Prof. dell‘ Antonio zu gehen. Er ist auch an dieser Schule gewesen, und war der Meinung, daß es für meine weitere Entwicklung gut wäre, dorthin zu gehen.
OTT: Warmbrunn im Riesengebirge ist, wie Sie selbst wissen, bei vielen Ihrer Kollegen sehr umstritten. Sie haben diese Schule noch vor der Machtübernahme, also vor 1932 besucht und auch verlassen. Was haben Sie von da mitbekommen für Ihre Karriere, was haben Sie an Handwerklichem oder Künstlerischem da gelernt ? Ich weiß von manchen, die etwas „mit scheelem Auge“ darauf sehen.
ELSNER: Das beinhaltet schon viel richtiges. Ich bin eigentlich immer ein Einzelgänger gewesen, auch dort an dieser Schule, und ich habe schon zu dieser Zeit beispielsweise mehr auf Barlach gesehen und wie er eine Plastik baut, bzw. aufbaut. Ich versuchte immer, mich aus diesen großen Detaillierungen, die man dort auch gelernt hat zur größeren Form durchzuringen oder durchzukämpfen …
OTT: … auch von der Folklore etwas Abstand nehmen …
ELSNER: … ja, auch von der Folklore etwas Abstand nehmen. Ich habe beispielsweise niemals meine Rübezahlfiguren in dem Sinne aufgebaut, wie es üblich an der Schule war. Das ist mir immer nur ein Thema gewesen, aber ich habe dieses volkstümliche und märchenhafte Thema immer zuerst als Plastik gesehen.
OTT: Sie haben dann 1932 Warmbrunn verlassen und weiterstudiert.
ELSNER: Ja, leider konnte ich nicht gleich anschließend von Warmbrunn aus nach Breslau gehen, weil Mitte 1932 die Breslauer Akademie durch eine Brünning’sche Notverordnung geschlossen wurde.
Ich habe dann in Neisse frei geschaffen, um mir das Geld für ein Akademiestudium zu erarbeiten, und habe dort in Neisse, etwa im August 1932, mit einem Kollegen, dem Bildhauer Gerhard Schwarzer, und dem heute in Burglengenfeld bei Regensburg lebenden Kunstmaler Georg Weist, an einer ersten Kunstausstellung im kleinen Stadthaussaal teilgenommen. Wir haben auch noch andere Kollegen aus Oberschlesien eingeladen. Zu unser großen Überaschung und Freude zugleich kam an einem späten Nachmittag der Vizepräsident von Oberschlesien, Dr. Fischer, mit dem oberschlesischen Landeskonservator, Pfarrer Harelt, die Ausstellung besuchen. Sie kauften von mir die Eichenholzplastik „betender Bauer“, und von Herrn Schwarzer „zwei oberschlesische Frauen“.
Das war mein erster Erfolg, über den ich mich sehr gefreut habe, und der mir dann schon auch sehr nützlich gewesen ist.
OTT: Das bedeutete Bestätigung Ihres Talents. Sie haben nachher doch glaube ich dann noch in Berlin studiert, oder ?
ELSNER: Ja, ab Wintersemester 1937 habe ich in Berlin studiert. Ich wollte bei Herrn Prof. Gerstel in die Klasse hinein. Das war wegen Überfüllung dieser Klasse nicht möglich, aber ich traf dort einen ehemaligen Warmbrunner Schüler, der sagte mir gleich: „Ich bin bei Prof. Wynand, und Du tust gut daran, so wie ich Dich kenne, wenn Du zu uns in die Wynand-Klasse kommst“.
OTT: Wynand hatte ja auch einen guten Namen damals.
ELSNER: Wynand hat damals einen guten Namen gehabt, und er hat auch jetzt im nachhinein einen guten Namen. Ich lese immer wieder mal kleine Aufsätze über ihn. Er hat hier auf Schloß Burg das große Engelhard Reiterdenkmal gemacht. Ich finde das ist schon eine unerhörte Leistung, wenn man sich überlegt, daß das so Ende der zwanziger Jahre etwa entstanden ist.
OTT: Ja, das wird auch von vielen gesehen.
Der Krieg – hat der Sie auch in Mitleidenschaft gezogen, oder sind Sie als Künstler darübergeschwebt ?
ELSNER: Nein, leider Gottes nicht. Ich glaubte immer, daß ich nie Soldat sein bräuchte. Das änderte sich aber durch den Kriegsausbruch. Ganz schnell wurde ich „KV“ geschrieben, und wurde 1940 am 1. April Soldat in Neuruppin, was unweit von Berlin lag.
OTT: Verlassen wir einmal die rein biographischen Daten, und kommen wir zu Ihrem Werk.
Sie sind bekanntlich Schöpfer von Kleinplastiken und hier in Ihrem Ratinger Heim habe ich zahlreiche dieser Kleinplastiken gesehen. Sie haben aber auch Aufträge für Kirchen erhalten und weltliche Monumente ausgeführt. Ich kenne einige. Ich trenne diese Bereiche zunächst rein äußerlich nach der Größe der Werke. Es ergeben sich dann noch weitere Einteilungen, etwa monumentale sakrale oder weltliche Kunst. Jetzt darf ich Sie bitten einige Auftragswerke zu nennen und dazu Stellung zu nehmen, und zwar zur freien, aber auch zur angewandten Kunst – oder wie sehen Sie diese mannigfaltigen Gebiete ?
ELSNER: Mein erster großer Erfolg hinsichtlich einer Auftragsarbeit hier von Ratingen aus, war ein Wettbewerb beim Regierungspräsidenten von Köln für die Gedenkhalle auf dem kleinen Soldatenfriedhof in Ittenbach. Diesen Wettbewerb habe ich gewonnen, und ich machte dann für diese Gedenkhalle eine lebensgroße Engelsfigur, die ich „Weisender Engel“ genannt habe. Die Engelsfigur ist im Hochrelief gearbeitet, ausgeführt in Bronze, und schwebt vor einem Mosaik.
OTT: Und Sie haben ja hier auch noch weitere Aufträge bekommen.
ELSNER: Ja, der zweite größere Erfolg war ein lebensgroßes Lindenholzrelief für die Herz Jesu Kirche in Düsseldorf, in der Roßstraße. Ich habe auch einen Brunnen für die Ahren-Bergbaugesellschaft in Bottrop gemacht. Das war später eine Empfehlung dafür, daß ich vom Rheinstahl Konzern eine Aufforderung bekam, Vorschläge für eine drei Meter hohe Plastik einzureichen.
OTT: Das wurde „metermäßig“ Ihre größte Aufgabe ?
ELSNER: Ja, das war „metermäßig“ gesehen die größte Aufgabe. Ich hatte etwas ganz anderes vorgeschlagen, aber die Architekten waren der Meinung, daß die vorgeschlagenen Vögel, dieser auffliegende Vogelschwarm, nicht das geeignete für diesen großen Platz wäre, und sie sehr gern eine gegenstandslose Durchdringungsplastik sehen würden. Angetan waren sie von meinem Vorschlag aber, weil ich wohl der einzige war, der eine Diagonale im generellen Aufbau hatte.
OTT: Ein dynamischer Aufschwung ?
ELSNER: Ja, und so habe ich mich dann nach einer ganzen Reihe von Versuchen, während denen ich immer wieder zu diesem Platz nach Bottrop gefahren bin, durch šberlegungen und auch gefühlsmäßige Erwägungen, entschlossen, die Dreiecksform als Grundelement für den Aufbau dieser Plastik zu wählen. So ist daraus dann eben, wie ich die Plastik im Aufsichtsrat vorgestellt habe, das „Triumphale Dreieck“ entstanden.
OTT: Meine erste Begegnung Herr Elsner, mit Ihrem Werk ist die mehrfigürige Bronze, die Sie „Studie 20. Juli“ nennen. Diese Plastik ist, soweit ich weiß 43 cm hoch, also eine kleinere Arbeit, auch sehr stark abstrahiert übrigens. Was wollten Sie hier aussagen, und wofür ist diese sogenannte Studie gedacht ?
ELSNER: Im Grunde genommen ist die Studie von mir schon von vornherein gedacht für eine bedeutend größere Ausführung. Das Erlebnis der vielen unbekannt gefallenen Kameraden im Krieg hat mich dazu geführt, daß ich mich thematisch vor allen Dingen auch mit den Männern des 20. Juli beschäftigt habe, und ich erinnere mich an eine Rede des ersten Bundespräsidenten, Prof. Dr. Heuss, die dann schon fast den Anstoß dazu gegeben hat, daß ich diesem Thema mal eine bildhauerische Form gegeben habe …
OTT: … und zwar vom Menschlichen, vom Humanen, nicht vom Parteipolitischen.
ELSNER: Alle meine diesbezüglichen Arbeiten – ein Thema was ich immer wieder anfasse ist das „ecce homo“ Thema die haben nie einen politischen oder konfessionellen Anstoß. Mich interessiert das Menschliche, das Humane. Natürlich spielen auch andere Dinge mit hinein, so eben wie ich anfangs erwähnte, daß ich erfahren habe, daß so viele Menschen gestorben, gelitten, gemartert worden sind, an die kein Mensch mehr denkt, aber die einen großen Opfergang gegangen sind, eigentlich für uns alle.
OTT: Diese Studie wäre gleichsam auch eine Brücke zu heute, denn heute passiert ja auch viel Schreckliches in der ganzen Welt. Könnte man das so auffassen, als Mahnmal ?
ELSNER: Ja, das ist, wie gesagt, überhaupt der Sinn dieser Studie.
OTT: Ich möchte wieder einmal zurück beleuchten. Ihre eigentliche künstlerische Laufbahn als freier, und ich betone immer auch wieder, als angewandter Bildhauer, begannen sie nach dem Krieg 36 jährig in Windischeschenbach, einem Ort der mir allerdings nicht geläufig ist. Ich glaube man muß den Ort nicht kennen, jedenfalls ist es in Bayern. Bayern ist ja durch seine Barockkunst gleichsam etikettiert. Sie haben da gewohnt. Wie haben Sie sich dort durchsetzen können, oder auch durchgesetzt ? Wie ich gehört habe, wurden Ihre Werke von der Landschaft vielleicht auch mitbestimmt, mitgeprägt, oder vielleicht auch von Ihren Auftraggebern ? Können Sie da vielleicht etwas sagen, denn es ist ja doch ein wichtiger Punkt. Sie haben ja einige Jahre, oder längere Zeit da gelebt.
ELSNER: Doch, zwölf Jahre habe ich da gelebt, immer mit dem Wunsch mich am Rande einer Großstadt niederzulassen. Ich hatte damals erst Regensburg ins Auge gefaßt, später München, aber dann ist es eben so gekommen, daß ich hier in Ratingen gelandet bin, durch Freunde, die mich darauf aufmerksam machten, daß ich hier sehr zentral sitze.
OTT: Und Windischeschenbach, wie kamen Sie hin, war das auch Zufall ?
ELSNER: Das ist reiner Zufall gewesen. Ich habe mich nach München entlassen lassen. Die Engländer haben nur Leute entlassen aus der Gefangenschaft, die eine Adresse im Westen hatten, und ich hatte eine weitläufige Verwandte in München, wußte aber nicht, ob sie noch am Leben war. Ich habe sie dann gefunden, und von ihr hörte ich sozusagen ganz schnell, wo meine Schwestern und Schwägerin lebten, und das war eben Windischeschenbach, etwa 100 km nördlich von Regensburg. Ich bin dann dort geblieben, nachdem ich vergeblich versucht habe nach Berlin hineinzukommen, um dort an der Berliner Akademie nochmal das Studium aufnehmen zu können. Zwei Lehrer meinen eigentlichen Lehrer Herrn Prof. Wynand konnte ich damals nicht erreichen aber zwei andere Lehrer, Herr Prof. Tank und Herr Prof. Fischer, mit denen ich auch über den Krieg öfter korrespondiert hatte, die waren angetan davon zu hören, daß ich bei ihnen weiterstudieren wollte. Sie beschworen mich aber auch, daß ich doch lieber in Bayern bleiben sollte, da ich dort bestimmt nicht die materiellen Sorgen hätte, wie sie in Berlin. Ich konnte dann aber auch gar nicht nach Berlin, da ich als Junggeselle keinen Zuzug bekam. So schloß sich das schon aus diesem Grund aus. Dann habe ich dort sofort kirchliche und auch kommunale Aufträge bekommen. Der Landrat, Herr Landrat Kreuzer, von dem Landkreis Neustadt/Waldnaab, zu dem Windischeschenbach gehörte, war vielleicht kein großer künstlerisch aufgeschlossener Mann, aber er meinte immer, Kunst gehört mit zu unserem Leben, und nach der Geldreform, als die ersten größeren Bauten vom Landkreis Neustadt/Waldnaab ausgeführt wurden, habe ich überhaupt keine Schwierigkeiten mit Herrn Landrat Kreuzer gehabt, an Aufträge heranzukommen.
OTT: Sie sind ja doch möchte ich sagen ein sehr abstrahierender, sehr innerlicher Künstler, auch in knappen Formen manchmal. War da diese barocke Umgebung nicht etwas fremd, oder umgekehrt, wie haben die Bayern Sie aufgenommen ?
ELSNER: Bei kirchlichen Aufträgen war das schon schwieriger da hat man schon gemerkt, daß der Barock immer noch in den Köpfen beheimatet gewesen ist, und man mußte so einen modernen, modernisierten Barock bei den Figuren und bei den Reliefs anschlagen, obwohl ich immer gewarnt habe, daß das bestimmt bloß zeitlich bedingt sein kann. Ich weiß noch, so etwa 1950 bekam ich von der Stadt Neustadt/Waldnaab einen Auftrag für ein größeres Marmorrelief an einer Schule, und die haben mir so viel Freiheit gelassen, daß ich da schon auch mal zeigen konnte, was man eigentlich jetzt an künstlerischer Formung schaffen müßte.
OTT: Und dieser Ihr Stil, kam dann gut an beim Publikum ?
ELSNER: Ja, der kam dann gut an. Natürlich mußte man immer so arbeiten, daß es in irgendeiner Form beim Publikum angekommen ist.
OTT: Herr Elsner, wir haben von Ihrer sogenannten abstrakten Phase gesprochen, vom „Triumphalen Dreieck“ in Bottrop, nun haben Sie auch kubistische Plastiken, wie ich hier gesehen habe. Wie stehen Sie nun zu dieser Phase, oder ist das keine Phase, sondern arbeiten Sie heute noch kubistisch ?
ELSNER: Gerade in diesen Tagen habe ich daran gedacht, daß ich eigentlich mal wieder so im Sinne dieser meiner Phase etwas schaffen sollte. Ich habe das damals gemacht, bevor ich aus Bayern wegging, bevor ich also nach Ratingen übersiedelte, um mich selber zu prüfen, inwieweit ich durch die barocke Umwelt der ich ja dort auf Schritt und Tritt, in teilweise sehr schönen kleinen Kirchen begegnet bin beeinflußt worden bin. Ich wollte mich selbst kontrollieren, ob ich da nicht zu weit von meinem eigentlichen Wollen abgekommen bin, und habe, möchte mal sagen, die Axt an den Stamm angelegt, und ganz bewußt eine Reihe kubistischer Plastiken geschaffen.
Als ich das wieder hinter mich gebracht hatte, und gesehen hatte, daß auch in dieser Formensprache Möglichkeiten zu einer Läuterung der Form vorhanden sind, habe ich mich wieder meiner Formensprache zugewandt, die ich von der Akademie noch in den Fingern hatte.
OTT: Aber auch dieser sogenannte Kubismus, wenn wir es überhaupt so nennen dürfen, ist ja immer fest verbunden mit der menschlichen Figur.
ELSNER: Jawohl, ganz absichtlich. Ich freue mich, daß Sie das feststellen, Herr Ott, weil ich eigentlich immer auch bei meinen kubistischen Arbeiten die Welt der Figur ganz allgemein gesehen im Kopf hatte.
OTT: Man könnte eigentlich sagen, Sie arbeiten für den Menschen, und Sie gestalten den Menschen. Ist das richtig so ?
ELSNER: Ja, das hat bei mir schon eine große Berechtigung.
OTT: Ich lese aus Ihren Werken, gerade im Bereich der Kirche, auch einen Hang zur Symbolik heraus. Bei der christlichen Kirchenkunst ist das natürlich keine Seltenheit, gibt es da aber etwa eine Brücke zu Ihrer stark religiös gebundenen Heimat, zu Oberschlesien, oder ist das etwa ein ganz neues Gebiet ? Haben Sie da eine Brücke, haben Sie da eine Wurzel noch gerade in dieser Kirche ?
ELSNER: Ja, das stimmt in jedem Fall. Ich habe zu einer ganzen Anzahl von religiösen oder kirchlichen Festen, die ich in Oberschlesien miterlebt habe, eine besondere Beziehung. Ich bin selbst einige Zeit Ministrant gewesen, und habe schon aus diesem Grunde eine Wallfahrt oder einen Gottesdienst ganz anders erlebt, als ein „normaler“ Mensch, und das hat mir doch sehr viel Themen aus diesem Umkreis in die Hände gespielt.
OTT: So daß Sie ganz organisch an Ihre Jugend anknüpfen können.
ELSNER: Ja, ja, und ich habe immer, auch jetzt noch, das Empfinden, daß in einer ganzen Reihe von Bildern der christlichen Symbolik oder der christlichen Figurenwelt starke Ausdrucksmöglichkeiten liegen …
OTT: … die Sie auch in den verschiedenen Kirchen praktiziert haben.
Nun zum Schluß: Wie ist Ihr Kontakt, sehr persönlich gefragt, zu Ihren Landsleuten hier, etwa im Rahmen der Künstlergilde Esslingen ? Haben Sie von dieser Seite Förderung erhalten, und weiter, haben Sie wegen Ihrer ostdeutschen Herkunft Sie sind ja jetzt im Rheinland, vorher waren Sie in Bayern hier in der Bundesrepublik Deutschland Vorteile oder Nachteile gehabt, oder kann man diese Frage bei Ihnen so nicht stellen ?
ELSNER: Was meinen Kameradenkreis hier im kleineren oder größeren Umkreis, und speziell die Zusammenarbeit mit der Künstlergilde anbelangt, habe ich nur sehr viel Positives erlebt. Ich bin auch mit einer ganzen Reihe von Plastiken im Arbeitsministerium vertreten.
OTT: Man spricht immer von Flüchtlingen, man sagt einige, die haben es sehr gut hier, die werden gefördert und andere sagen dann nein, sie sind verloren. Ich kenne auch Kollegen von Ihnen, die völlig isoliert leben, und eigentlich verzweifeln.
ELSNER: Also behördlich gesehen muß ich sagen, daß ich in Bayern, wo das künstlerische Element vielleicht viel verbreiteter unter den Menschen angenommen wird, stärkere Beziehungen speziell auch zu behördlichen Auftraggebern finden konnte.
OTT: Hier ist es etwas schwieriger, wahrscheinlich weil auch viele Großstädte da sind. Der Lebenskampf ist schwerer.
Herr Elsner, ich danke Ihnen für dieses Gespräch.
Über das Gespräch:
Kurze Zeit nach dem Tod meines Vaters erhielt ich von Herrn Ott, Museumsdirektor i.R., aus Köln einen Brief, aus dem unter anderem hervorging, daß Herr Ott mit meinem Vater im Jahr 1981 ein Gespräch geführt hatte, welches auf Tonband aufgezeichnet worden war. Da ich bis dahin nichts von dieser Aufnahme wußte, nahm ich mit Herrn Ott Kontakt auf. Dabei erfuhr ich, daß es sich hier um ein Interview handelte, welches zwei Monate nach dem siebzigsten Geburtstag meines Vaters im Atelier in Ratingen entstanden war.
Herr Ott war so freundlich, mir eine Kopie dieser Aufnahme zukommen zu lassen, deren Original sich im Archiv des Hauses des Deutschen Ostens in Düsseldorf befindet.
An dieser Stelle möchte ich auch die Gelegenheit wahrnehmen, mich bei Herrn Ott für die Gesprächsführung zu bedanken. Ohne sein Engagement und seine Initiative wäre dieses interessante Gespräch sicher nicht zustande gekommen.
Schließlich möchte ich mich auch bei Herrn Euler-Ott bedanken, der für das Gelingen der Gesprächsaufzeichnung Sorge getragen hat.
Bonn im Januar 1988
Thomas Elsner