Lebenslauf
Am 8. Januar des Jahres 1905 schließen in Klein-Schnellendorf/OS. der Molkereiverwalter Hugo Florian Elsner und Frau Anna Martha Püschel die Ehe. Am 16. März 1911 wird dann in Grunau/OS. ihr Sohn Erich Elsner als fünftes von sechs Kindern geboren.
Elsner besucht zunächst in Grunau die Volksschule. In seiner Freizeit zeichnet er viel. Hierzu werden – nicht gerade zur Begeisterung des Vaters – gelegentlich auch Blätter aus den Verwaltungsbüchern der Molkerei zweckentfremdet.
Weihnachten 1919 stirbt Elsners Schwester Monika an einer Grippe. Etwa drei Monate später stirbt der Vater im Alter von 40 Jahren an Nierenversagen. Elsner erinnert sich später, am 05.03.1961: „Heute vor 41 Jahren ist im fernen Neisse mein Vater gestorben. Ich war damals noch nicht ganz 9 Jahre alt. Trotzdem habe ich so viel Erinnerungsbilder in mir an ihn, daß ich weiß, er war ein guter, ja uns Kindern ein bester Vater. Gott möchte ihm alles danken, was wir Kinder ihm wegen seines frühen Todes nicht mehr danken konnten. – Besonders erinnere ich mich an die große Gestalt meines Vaters und daran, daß es nie richtigen Krach in unserer Familie gab.“
Die Mutter führt die Molkerei noch 2 Jahre weiter, dann zieht die Familie ins 11 km entfernte Neisse. Dort betreiben Mutter und Schwester Paula nunmehr ein Milchgeschäft in einem Haus, in dem die Familie auch wohnt. Elsner bewohnt eine kleine Mansarde, in der er nach wie vor viel zeichnet.
Im April 1925 beginnt Elsner in Neisse eine praktische Werkstattlehre bei einem Tischler. Dies ist Voraussetzung für die Aufnahme in die Holzschnitzschule in Bad Warmbrunn, deren Besuch Elsner bald anstreben wird.
Elsner beendet die Werkstattlehre im Oktober 1927 und geht zu Prof. C. dell‘ Antonio und Bildhauer W. Volland an die „Meisterschule des Deutschen Handwerks für Holzbildhauer“ in Bad Warmbrunn/Riesengebirge. Hier bleibt er auch noch, nachdem er 1929 die Gesellenprüfung erfolgreich absolviert hat.
Über die Bedeutung dieser Zeit für Elsners Entwicklung sagt sein Freund und Kollege Georg Weist später: „Der Durchbruch zur Kunst im eigenschöpferischen Sinn erfolgte ohne Zweifel in der Warmbrunner Meisterschule für Holzbildhauerei. Gemeint ist hier die Erkenntnis, daß es für ihn (Elsner) jenseits des normalen Schulziels noch einen weiteren Weg in ein bedeutendes plastisches Schaffen geben wird.“
Über die Zeit der Werkstattlehre und den sich daran anschließenden Besuch der Meisterschule notiert Elsner später einmal: [02.03.1961] „Vor 36 Jahren um die Zeit fieberte ich der Schulentlassung entgegen und freute mich auf die Holzbildhauerei, d.h. auf die Erlernung derselben bei der Firma Pischel in Neisse. Und bald kam die Enttäuschung in dieser Lehrstelle, in der man ja nur ein besserer Laufbursche war. Aber dann kam als ‚Mekka‘ im Herbst 1927 die ‚Schnitzelschule‘ in Warmbrunn, an der ich vor 32 Jahren um diese Zeit die Gesellenprüfung mit ‚Gut‘ ablegte. Da wußte ich zwar schon etwas mehr um die Bildhauerei und sogar auch etwas um die Kunst, aber dieses Wissen reichte leider noch nicht aus zu erkennen, daß ich ganz falsche Wege ging“
Im Mai 1932 verläßt Elsner die Schule, um in Neisse frei zu arbeiten. Als erste Atelierräume dienen eine Mansarde im Wohnhaus der Familie, für größere Arbeiten ein abgeteilter Raum in jener Tischlerei, in der Elsner auch die Werkstattlehre absolviert hat. Noch im August des gleichen Jahres nimmt er mit dem Bildhauer Schwarzer und dem Kunstmaler Weist an seiner ersten Kunstausstellung im Stadthaussaal in Neisse teil. Hier kommt es dann auch gleich zum ersten öffentlichen Ankauf eines seiner Werke: Der Vizepräsident von Oberschlessien und der Landeskonservator kaufen die kanpp lebensgroße Eichenholzplastik „Betender Bauer“.
Im Oktober 1932 stirbt Elsners Mutter 52-jährig an Magenkrebs.
1936 schließt er das Atelier in Neisse und begibt sich 1937 zu einem kurzen Studienaufenthalt nach Paris, wo er bedeutende künstlerische Eindrücke erhält. Sein Freund Weist erinnert sich:
„1937 schlossen wir uns einer Studiengruppe an, welche die Weltausstellung in Paris zum Ziele hatte. Die Dauer des Aufenthalts betrug 14 Tage. Unabhängig von der Reisegesellschaft erkundeten wir gemeinsam Stadt und Ausstellung. Ungeheuer war die Fülle der Eindrücke ! Herausragend: die große Ausstellung des Bildhauers Maillol im Petit Palais und die damals größte Schau der Bilder van Goghs im Trocadero. Und vieles andere. – Nach Neisse zurückgekehrt begann Erich sein Studium in Berlin.“
Zum WS 1937/38 wird Elsner als Student an der Hochschule für Bildende Künste in Berlin aufgenommen. Dort studiert er bei Prof. Paul Wynand, einem Rodin-Schüler, plastisches Arbeiten und bei Prof. Wilhelm Tank Zeichnen und Anatomie. Nebenher besucht er Veranstaltungen bei den Professoren Blacek, Fischer, Becker, Kluge und Hilbert.
Seine Vorbilder sind Ernst Barlach, Georg Kolbe, Fritz Klimsch und sein Lehrer Paul Wynand.
Im April 1940 muß Elsner das Studium abbrechen, da er zum Wehrdienst bei der Panzertruppe einberufen wird. Er kommt zunächst nach Afrika. Auch dort kann er in gewissem Rahmen künstlerisch tätig werden. Neben vielen Portraitzeichnungen entstehen auch Zeichnungen der beeindruckenden Wüstenlandschaft. Nach einer Kriegsverletzung wird Elsner in ein Lazarett nach Bad Reichenhall gebracht. Anschließend wird er in Böblingen, später in Frankreich und in Italien eingesetzt, wo er am 29. April 1945 zunächst in Gefangenschaft italienischer Partisanen, dann in englische Kriegsgefangenschaft kommt. Auch hier wendet sich Elsner, soweit möglich, künstlerischen Aufgaben zu. Hilfe hierzu bietet ihm insbesondere der katholische Lagergeistliche. In dieser Zeit entstehen viele Zeichnungen, die zum Teil heute noch erhalten sind, wie auch die Kleinplastik „Kleines Menschenpaar“, die – zunächst in Ton geschaffen – nach dem Krieg in Bronze gegossen werden wird.
Im März 1946 wird Elsner aus der Kriegsgefangenschaft entlassen. Er gelangt durch Vermittlung der Schwester seiner Schwägerin Ida über München nach Windischeschenbach/Obpf., wo seit Mai 1945 bereits seine Schwestern Zuflucht gefunden haben. Hier wird Elsner nun bis zu seiner Übersiedlung 1958 nach Ratingen bleiben.
Ab 1948 ist Elsner wieder als freischaffender Bildhauer tätig. Große Schwierigkeiten bereitet es ihm angesichts der allgemeinen Raumnot ein Atelier zu finden. Zunächst teilt sich Elsner die Werkstatt mit einem Tischler. Nach der provisorischen Unterbringung in einer Baracke der Porzellanfabrik findet Elsner um 1953 schließlich einen geeigneten Atelierraum in einem festen Gebäude. Neben verschiedenen plastischen Arbeiten entstehen in dieser Zeit auch viele Zeichnungen und Aquarelle von Windischeschenbach und Umgebung. Außerdem befaßt Elsner sich intensiv mit Porträtstudien.
Restaurierungsarbeiten in den Kirchen der Umgebung führen später auch zu größeren Aufträgen. Zu nennen sind dabei in erster Linie sakrale Arbeiten und Arbeiten an und in öffentlichen Gebäuden, insbesondere Schulen. Ein Großteil dieser Arbeiten entsteht in Stein, gelegentlich auch in Holz oder Bronze. Bronze hat zu dieser Zeit als Material noch nicht die bevorzugte Stellung, die ihr später noch zukommen wird.
Nebenbei spielt Elsner in einigen kleinen Theaterstücken einer Laiengruppe unter Leitung des Kabarettisten Dieter Hildebrandt. Mit diesem ist er auch maßgeblich an der Organisation der 1000-Jahr-Feier Windischeschenbachs beteiligt.
Etwa Anfang 1952 lernt Elsner in Regensburg die am 20.09.1923 in Rogau-Rosenau bei Breslau geborene Ursula Pawlowsky kennen, die in Postau bei Landshut Lehrerin ist. Sie heiraten am 17.07.1954 in Postau.
Aus beruflichen Gründen bleibt Elsner zunächst in Windischeschenbach und seine Frau Ursula in Postau.
Bald entschließen sich beide gemeinsam aus Süddeutschland wegzuziehen. Auf Empfehlung eines Freundes faßt man die Gegend um Düsseldorf in die engere Wahl und kommt so nach Ratingen. Zuerst zieht Ursula Elsner nach Ratingen, da sie dort zum 01.01.1957 eine Stelle als Lehrerin erhalten hat. Elsner, den gerade eine Reihe größerer Aufträge beschäftigen, folgt im September 1958 nach.
Sein erstes Atelier in Ratingen findet Elsner in der Brückstraße.
Schon in Windischeschenbach hatte Elsner begonnen, eine Reihe kubistischer Plastiken – „Roboter“ – zu schaffen, um zu prüfen, inwieweit ihn die barocke Umwelt seiner Wahlheimat beeinflußt hatte. Diese Idee greift Elsner in Ratingen noch einmal auf, diesmal aber verknüpft mit einer Figur, die ihn von Kindheit an bis ins hohe Alter immer begleitet hat – dem Berggeist Rübezahl. So entstehen in einer für Elsner ungewöhnlichen Formensprache als Variationen eines vertrauten Themas drei Arbeiten mit dem Titel „Berggeist“. In dieser Zeit läßt Elsner auch den 5 Jahre zuvor geschaffenen „Berggeist Rübezahl“ in Bronze gießen, den er dann mehr als 20 Jahre später überlebensgroß für die Stadt Goslar schaffen wird.
Im Jahr 1960 ist Elsners Frau Ursula schwanger. Elsner beginnt seine ersten beiden Arbeiten zum Thema Mutter und Kind, die Werke „Figürliche Komposition – Mutter mit Kind I“ und „Figürliche Komposition – Mutter mit Kind II“. Später wird Elsner dieses Thema auch noch mit der bekannteren Arbeit „Figürliche Komposition/Mu – Mutter und Kind“ in drei verschiedenen Fassungen aufgreifen.
Ebenfalls in dieser Zeit entstehen erste Entwürfe für den „Weisenden Engel“. Während dieser Vorarbeiten wird am Freitag, den 02.09.1960 in Ratingen der Sohn Thomas geboren. Elsner notiert: „Heute soll unser Kind zur Welt kommen. Um 14.00 bin ich mit einiger Sorge aus dem Krankenhaus gegangen, um 15.10 bereits gratulierte mir Herr Dr.V. zum Sohn. Anschließend mit Frl. Rindermann den Stammhalter mit Schnaps und Sekt willkommen geheißen. – Und gegen 17.00 habe ich den kleinen Mann das erste Mal durch die Glasscheibe gesehen.“ (02.09.1960)
„Sehr innig habe ich heute im Hochamt für meinen Sohn an diesem, seinem ersten Erdensonntag gebetet, damit er viele Jahrzehnte hindurch friedliche, schöne Sonntage verlebt.“ (04.09.1960)
„Taufe von Thomas Stephan Maria.“ (10.09.1960)
„Vorm. bei Ursel im Krankenhaus und in der Wohnung aufgeräumt … nachmittag … Ursel mit Thomas aus dem Krankenhaus geholt. Eingetroffen in der Wohnung gegen 18.00h. 21.18 hat Stephan 1. mal in der Wohnung seine Stimme erklingen lassen.“ (12.09.1960)
„Heute ist unser Sohn 4 Wochen alt. Wie mag er und die Welt aussehen, wenn er 4 Monate, ja wenn er 4 Jahre alt sein wird ? Angesichts der unversöhnlichen, doch schon haßerfüllten Gegensätze zwischen Ost und West auf der UNO-Vollversammlung in New York kann man nicht viel Gutes erwarten für die Zukunft.“ (30.09.1960)
„Das Schönste gestern, am ersten hl. Abend mit Thomas war sein wortloses staunendes Sehen in die Lichter unseres kleinen Christbaums.“ (25.12.1960)
Neben dem Ereignis der Geburt des Sohnes ist das Jahr 1960 besonders geprägt von einem ständigen Auf und Ab in allen Fragen, die die Arbeit am „Weisenden Engel“ für den Soldatenfriedhof Ittenbach betreffen. Immer wieder gibt es mit den Auftraggebern Unstimmigkeiten in künstlerischen Fragen und auch die Aufrechterhaltung des Auftrags überhaupt ist nicht immer sicher. Diese widrigen Umstände setzen sich noch 1961 fort und färben auch auf die Arbeit Elsners am „Weisenden Engel“ selbst ab. Er ist mit sich und der Arbeit unzufrieden und hegt infolgedessen oft tiefe Selbstzweifel:
„Ob ich wohl je in meinem Leben eine Plastik schaffen kann, schaffen werde, die ein über die Zeiten dauerndes Kunstwerk ist ? Dann hätte sich mein kleines Bildhauerleben gelohnt.“ (01.12.1960)
„Kein Laie weiß, wie furchtbar einsam, wie völlig allein der künstlerisch Schaffende mit seinem Sehen und Wollen und mit all seinen Gedanken und Träumen, vor allem aber mit seinen Entschlüssen ist.“ (09.02.1961)
„Unzufriedenheit, nein Angst mit Unruhe erfüllt mich, weil ich den großen Engel für Ittenbach in der Form steigern möchte, aber keinen Weg finde.“ (29.03.1961)
Am nächsten Tag gelingt Elsner dann der Durchbruch und am Abend faßt er zusammen:
„Heute, endlich, endlich habe ich wieder ein ‚Gespür‘ für das, was am Engel zu tun ist gehabt. Ab etwa 11.00 h habe ich mit größtem körperlichem und geistigem Aufwand plötzlich gesehene Schwachstellen korrigiert, ja den ganzen Engel überarbeitet. Ich war so in Schaffensdrang, daß ich kein besseres Werkzeug als die Kohlenschaufel fand.“
Im April schließlich wird der „Weisende Engel“ abgeformt und in Gips gegossen.
Im Juli reist Elsner für eine Woche nach London, wo er insbesondere viel Zeit in der Nationalgalerie, dem Britischen Museum und dem Victoria & Albert Museum verbringt.
Im Oktober wird der „Weisende Engel“, der zwischenzeitlich in Bronze gegossen worden ist, in der Gedenkhalle des Soldatenfriedhofs Ittenbach angebracht.
Seit einiger Zeit haben Elsner und seine Frau den Plan, ein Haus zu bauen, in dem auch das Atelier Elsners untergebracht sein soll. Nachdem 1964 ein geeignetes Grundstück in Ratingen gefunden ist, wird 1965 mit dem Bau begonnen, so daß 1966 der Bezug von Haus und Atelier durch Bildhauer und Familie erfolgen kann.
Noch im alten Atelier, entstehen zu dieser Zeit erste Vorarbeiten für die größte Bronzeplastik, die Elsner je geschaffen hat, das „Triumphale Dreieck“. Dem Auftrag vorangegangen war ein Wettbewerb, der die Ausgestaltung einer größeren Grünfläche in einem neu entstandenen Wohnviertel in Bottrop zum Gegenstand hatte. Schon bald nach der ersten Besichtigung des fraglichen Platzes stand für Elsner fest, daß die zu schaffende Figur einer besonderen Gestaltung bedurfte, damit sie sich gegenüber der erdrückenden Geometrie der dort vorhandenen Bebauung zu behaupten vermochte. Es galt eine Formgebung zu finden, die ein Gegenstück zu den horizontalen und vertikalen Linien der umgebenden Gebäude bildete. Erste Idee – mit der Elsner auch den Wettbewerb gewann – war die Darstellung eines sich seitwärts bewegenden Vogelschwarms. Elsner wollte die vorhandene Einförmigkeit der Bauweise durch die Bewegung des Vogelschwarms selbst und durch die diagonal zur Architektur gerichtete Flugrichtung der Vögel aufbrechen. Die Grundidee dieses ersten Entwurfs fand sogleich das Interesse der verantwortlichen Architekten. Im Ergebnis war man jedoch eher an einer gegenstandslosen Plastik interessiert. Elsner griff diesen Wunsch auf, und so entstand – unter Beibehaltung der im ersten Vorschlag enthaltenen diagonalen Bewegung – das Konzept für das „Triumphale Dreieck“, das nicht nur in seiner formalen Gesamtkonzeption, sondern auch mit den einzelnen Elementen, aus den es zusammengesetzt ist (dreieckige Flächen und Durchbrechungen), einen deutlichen Kontrast zur Struktur der Umgebung setzt.
Erste Vormodelle für das „Triumphale Dreieck“ im Maßstab 1:5 und später 1:3 entstehen nach diesen Vorüberlegungen dann im Frühjahr und Sommer 1965. Das endgültige Gipsmodell wird im Winter direkt in der italienischen Bronzegießerei Lotito in Köln geschaffen, die auch den Guß durchführen wird. Anfang 1966 wird das „Triumphale Dreieck“ in Bottrop am Timpenkotten aufgestellt. Im Zusammenhang mit der Aufstellung dieser Arbeit wird Elsner im Juni 1966 nach seinem Stil und seiner (neuen ?) künstlerischen Richtung gefragt. Hierzu sagt er:
„Ich habe die Figur noch nicht aufgegeben. In meinem Schaffen besteht ein Wechselspiel zwischen dem Abstrakten und dem Gegenständlichen, und das abstrakte hat eine deutliche Rückwirkung auf das gegenständliche Schaffen.
Ich sehe heute die Gestalt, die Figur wesentlich straffer. Das Bild wird auf gewisse Strukturen abstrahiert, auf Grundformen vereinfacht“.
Bald nach dem Umzug ins neue Atelier entsteht die erste von mehreren sog. Kastenplastiken, das „Ecce Homo“ (1. Fassung). Die mit der Kastenplastik gewählte bühnenartige Einbettung der Figur selbst in eine Umgebung wird Elsner später immer wieder aufgreifen. Erster Anstoß für die neu gewählte Form der Gestaltung ist die Erinnerung an einen der zahlreichen Bildstöcke der schlesischen Heimat. Dieser Gedanke tritt aber alsbald zurück, und die mit dem „Ecce Homo“ gewonnenen bildnerischen Erfahrungen werden nun selbst Anlaß zur Schaffung weiterer Kastenplastiken.
Ende 1968 beginnt Elsner mit Vorarbeiten für die etwa 2 m hohe Brunnenplastik „Dreiklang“, die er für die Stadtsparkasse Ratingen schafft. 1969 wird diese Arbeit in den Räumen der Gipswerkstatt der Düsseldorfer Kunstakademie beendet, dann in Bronze gegossen und Ende des Jahres im damaligen Innenhof der Sparkasse aufgestellt.
Ebenfalls zu dieser Zeit arbeitet Elsner intensiv an einem Gesamtkonzept für die künstlerische Ausgestaltung der neu zu bauenden Herz-Jesu-Kirche in Ratingen-Ost. Eine Aufgabe, die bis zur Vollendung 1970 in ständig steigendem Maß seine künstlerische Kraft und Aufmerksamkeit beanspruchen wird. Auf eine Frage nach der gedanklichen Entwicklung seiner Planungen und Entwürfe antwortet Elsner Ende 1969:
„Wo bei meiner Arbeit das rationale Durchdenken aufhört, und wo das Gefühl anfängt, kann ich nicht sagen“.
Zur Ausführung in der Herz-Jesu-Kirche kommen schließlich ein Kreuz, ein Altar, ein Ambo und verschiedene Leuchter. Alle Arbeiten sind aus Bronze. Ein von Elsner ebenfalls vorgeschlagener, von zwei stilisierten Flügeln umrahmter Tabernakel, in dessen Mitte ein Bergkristall in eine zum Altar hin geöffnete Spirale – allegorische Erinnerung an die Urgesetze der Schöpfung – eingebettet sein sollte, wird zum großen Bedauern des Künstlers nie in Auftrag gegeben.
Im April 1971 reist Elsner mit seiner Frau 10 Tage nach Rom, wo sie mit großer Intensität die fast unüberschaubare Vielfalt an historischen und künstlerischen Eindrücken von Stadt und Umgebung genießen und in sich aufnehmen.
1973 muß Elsners Frau sich einer Herzoperation unterziehen, die infolge verschiedener Komplikationen einen langen Krankenhausaufenthalt zur Folge hat.
1975 wird von Elsner die Gedenkstätte des deutschen Ostens im Batterieturm von Schloß Burg mit fünf Wappen und einer Schrifttafel ausgestaltet. Wenn dieser Auftrag auch aus künstlerischer Sicht für Elsner keine besondere Herausforderung darstellt, so ist er für ihn doch von großer persönlicher Bedeutung: Sein Lehrer und Vorbild aus der Berliner Zeit – Prof. Paul Wynand – hatte Jahrzehnte zuvor das auf Schloß Burg befindliche Engelhard Reiterdenkmal geschaffen, und für Elsner ist es eine große Freude, eine Arbeit für einen Ort schaffen zu können, an dem auch sein Lehrer künstlerisch vertreten ist.
Im April 1978 besucht Elsner Berlin, das er seit seiner Studienzeit nicht wieder gesehen hatte. Unter anderem trifft er auch einen Studienkollegen, der heute dort lehrt :
„… zu Lortz in die Akademie, die ich mehrmals mit viel Wehmut in manch‘ alten Gängen durchschritten habe. … Anschließend in die Herrlichkeit des Ägyptischen Museums“
1981/82 erfüllt sich für Elsner ein seit sehr langer Zeit immer wieder intensiv gehegter Wunsch. Er erhält die Möglichkeit ’seinen‘ „Berggeist Rübezahl“ überlebensgroß in Bronze zu schaffen. Der Auftrag hierzu kommt von der künstlerisch besonders aufgeschlossenen Stadt Goslar. Die große, wohl gar herausragende Bedeutung dieses Auftrags für Elsner kann man nur ermessen, wenn man bedenkt, daß sich hier praktisch zwei bedeutende Wunschvorhaben zugleich erfüllen: Zum einen die Möglichkeit, überhaupt noch einmal eine große Bronzeplastik schaffen zu können, zum anderen die Möglichkeit, damit zugleich ein Thema zu realisieren, zu dem Elsner schon immer – aus der Kindheit heraus – eine ganz innige Beziehung hatte.
Da die Räumlichkeiten im Atelier in Ratingen für die große Arbeit weniger geeignet sind, wird die Arbeit am Gipsmodell in der Düsseldorfer Kunstakademie ausgeführt. Über einige Arbeitstage finden sich kurze Notizen in einem Kalender:
„Ich freue mich auf den morgigen Beginn am Rübezahl bei Küsters in der Düsseldorfer Akademie und suche schon das Werkzeug zusammen. Wie wird wohl alles gehen ? Wie wird mir der Einstieg in diese große Arbeit gelingen – in dieser fremden Umgebung ?“ (16.01.82)
„‚Per pedes‘ und Straßenbahn in die Düsseldorfer Akademie gefahren und am Rübezahl gearbeitet, der schon im großen Raum stand, in dem ich seinerzeit mit Isenmann den großen Brunnen für die Stadtsparkasse gemacht hatte.
Das Hineinfühlen in die eigene Figur ist maßlos schwer.“ (17.01.82)
„Akademie … Es war 5 vor 9.00 Uhr, als ich den langen Gang durchschritten habe. Nochmal mit dem Gesicht begonnen, das viel mehr formalen Inhalt am kleinen Modell hat. Ich muß oft an den Berliner Zeichenprofessor Becker denken: ‚Könnte ich Ihnen jetzt meine Augen geben, dann würden sie selbst die Fehler sehen !‘ – Ja, jeder Quadratzentimeter muß erarbeitet werden.“ (22.02.82)
„Ab Mittag habe ich in der Akademie völlig alleine gearbeitet, und das war sehr gut. Man kann ganz anders denken und sich selbst kontrollieren.“ (08.03.82)
Letzten Tag in Düsseldorf gearbeitet. T. konnte mir (zum Rübezahl) nicht viel sagen, da müßte Hans Kober her. So arbeite ich heute den letzten Tag völlig in Eigenverantwortung am Abschluß dieser größten Figur für Bronze meines Lebens. Das viel größere ‚Triumphale Dreieck‘ war ja gegenstandslos. – Eigenartig, ich bin sehr traurig bei diesem Abschluß.“ (24.03.82)
Im Juni 1982 – ein weiteres wichtiges Datum für Elsner – erhält Elsner in Hildesheim den Neisser Kulturpreis 1982 für „sein künstlerisches Gesamtwerk“, das, wie es in der Urkunde heißt, Zeugnis gibt „von seiner handwerklichen Tüchtigkeit, von akademischer Präzision, von seinem hohen Gefühl für formale Wirkung und von innerer Solidität“.
Gut 4 Monate nach Fertigstellung des Gipsmodells wird der nunmehr in Bronze gegossene Rübezahl am 06.08.82 in Goslar feierlich enthüllt und der Öffentlichkeit übergeben. Es ist ein bedeutender und sehr glücklicher Tag für Elsner.
Seinen letzten öffentlichen Auftrag erhält Elsner von der Stadt Ratingen, für die er 1983 die Bronzeplastik „Auffliegende Vögel“ schafft, die zwar anders gestaltet ist, als das seinerzeit für Bottrop ursprünglich vorgesehene Modell, deren innerer Anstoß aber mit der damaligen Zeit in Verbindung steht.
Ebenfalls 1983 beginnt Elsner seine letzte Kastenplastik „Verkündung an die Hirten“, die er kurz vor seinem Tod beenden wird.
Im November 1984 stirbt völlig überraschend Elsners Frau Ursula.
Im März 1985 wird Elsner Opfer eines Verkehrsunfalls, an dessen Folgen er am 23. April 1985 stirbt.
Inzwischen tragen zwei Straßen den Namen des Bildhauers: Der Erich-Elsner-Weg in Ratingen und die Erich-Elsner-Straße in Windischeschenbach.
Köln, im November 2008
Thomas Elsner
ANHANG zum Lebenslauf:
Der Lebenslauf befaßt sich nur beispielhaft mit einzelnen Werken Erich Elsners, soweit besondere Umstände hierzu Anlaß geben. Er versteht sich damit nicht als chronologischer Überblick über Ausstellungen oder den großen Bestand an freien und gebundenen Arbeiten. Zu letzterem wird auf das Werkverzeichnis verwiesen.
Die unterschiedliche Ausführlichkeit und Gewichtung der dargestellten Zeitabschnitte beruht allein auf dem Umstand, daß das Material, welches als Grundlage für den Lebenslauf zur Verfügung stand – insbesondere Notizen von Erich Elsner – nur bruchstückhaft ist, d.h. zu einigen Anlässen verhältnismäßig viel erhalten ist, zu anderen wenig oder gar nichts.
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