Das Werk
Erich Elsner ist durch das Handwerk zur Kunst gekommen. Am Anfang steht die Lehre bei einem Tischler im oberschlesischen Neisse, dann folgt der Besuch der Meisterschule des Deutschen Handwerks für Holzbildhauer in Bad Warmbrunn im Riesengebirge.
Wenn die Zeit in der Tischlerwerkstatt den von bildnerischen Taten träumenden Jungen auch hart ankam und die Ausbildung bei Prof. dell’Antonio in Wannbrunn vom Künstler später in der Rückschau eher skeptisch, als Verführung zu gefälliger Anspruchslosigkeit beurteilt wurde: die konsequente und intensive handwerkliche Schulung ist für das Schaffen von Elsner grundlegend geblieben. Nicht nur, daß sich ihr jene technische Solidität verdankt, die seine Arbeiten durchwegs in so hohem Maße auszeichnet. Sie blieb auch regelnder Anhalt und Inspirationsquelle seiner gestalterischen Vorstellungen.
Nie tut Elsner dem Material Gewalt an. Ob Holz, Stein oder Ton, ob mit dem Schnitzmesser, dem Meißel oder Modelliereisen, stets handelt er mit dem Material, bleibt seine Imagination im wörtlichen Sinne handwerklich mit dem Material in Kontakt, seine Möglichkeiten erkundend und respektierend, sich in ihrer Entfaltung an sie bindend.
Eindeutig ist bereits am Ende der Lehrzeit in Warmbrunn der Wille des Zwanzigjährigen, das handwerkliche Können aus kunstgewerblicher Bescheidung zu lösen, es höher gesteckten Zielen dienstbar zu machen. Der „Betende Bauer“ von 1931 und der „Trauernde Jüngling“ von 1933 sind eindrucksvolle Belege hierfür. Sie tragen Erinnerungen an Spätgotisches in einer gebändigten expressionistischen Formensprache vor.
Die Studienjahre an der Hochschule für bildende Kunst in Berlin, wo Paul Wynand sein wichtigster Lehrer ist, lassen Elsner dann die unerläßliche akademische Lektion nachholen: die gründliche Befassung mit der Aktfigur, dem klassischen zentralen Thema der Skulptur, und zwar in einer Auffassung, die von Kolbe und Klimsch geprägt ist.
Nach dem Krieg sucht Elsner nicht, wie manche seiner Generationsgenossen in Deutschland, den rückhaltlosen Anschluß an die radikalen Vorstöße der internationalen Entwicklung, von denen man im Deutschland der dreißiger Jahre abgeschnitten war und deren Kenntnis nun geradezu sturzflutartig hereinbricht. Vielmehr entwickelt er das vor der Unterbrechung der Kriegszeit Erworbene konsequent weiter.
Die menschliche Figur bleibt im Mittelpunkt seines Schaffens, wobei er die geschlossene Körperlichkeit unangetastet läßt, also am traditionellen Begriff von Skupltur festhält. Die Entscheidung ist bereits in der „Sorgenden Frau“ von 1948 getroffen, einer ausdrucksstarken Verkörperung des Existenzgefühls jener Jahre unmittelbar nach dem Krieg. Greift Elsner hier, aus der Distanz, die expressionistische Orientierung seiner Anfänge auf (man mag sich von fern an Barlach erinnert fühlen), so führt er in der ein Jahrzehnt später geschaffenen Statue eines Jünglings vor der Knabenschule in Neustadt-Waldnaab den klassisch-idealen Kanon der Berliner Zeit einer aufs Elementare vereinfachenden, tektonisch verfestigenden Formstrenge zu.
In dieser Zeit, gegen Ende der fünfziger Jahre, treibt Elsner die Umsetzung der menschlichen Figur in blockhafte Volumen gelegentlich noch weiter. Es entsteht eine Gruppe von Arbeiten, die der Künstler selbst, mit Vorbehalt, als ,,kubistisch“ bezeichnet hat, unter ihnen „Roboter“ von 1958. Anders als im Kubismus geht es hier indes nicht um eine Problematisierung des Körperhaften mit dem Ziel, das Interesse an Fragen der Form zu verabsolutieren. Die spannungsgeladene Vergegenwärtigung der Volumen bleibt mit gestischer und mimischer Dynamik vermittelt, die steigernde Bestätigung des Körperlichen ist gleichbedeutend mit verdichteter psychischer Präsenz, und das selbst dort, wo ein Titel wie ,,Roboter“ technoide Verfremdung anzeigt. Die Figur wird bei Elsner nie zum bloßen formalen Thema.
Aber auch in die abstrakte Gestaltung ist Eisner vorgestoßen. Wenn abstrakte Arbeiten auch, aufs Ganze seines Schaffens gesehen, die Ausnahme geblieben sind, so heißt das nicht, daß ihnen hier nur die periphere Bedeutung zukommt. Das für den Rheinstahlkonzen geschaffene „Triumphale Dreieck“ in Bottrop von 1966 und der „Dreiklang“, eine Brunnenplastik für die Sparkasse Ratingen von 1969, zählen zu Elsners Hauptwerken.
Form in der Spannung zwischen dynamischer Lösung und statischer Bindung, zwischen Aufgliederung und Behauptung der Masse ist das gemeinsame, je anders ausgelegte Grundthema. Beidemal bleibt gegenständliche Assoziation im Spiel, als Ausgangspunkt der bildnerischen Erfindung und als latenter Garant ihrer Überzeugungskraft: im Fall des „Triumphalen Dreiecks“ ein auffliegender Vogelschwarm, im Fall des „Dreiklangs“ ein Grundmuster vegetabilen Wachstums.
Elsner lebte aus der Überzeugung seines christlichen Glaubens. So spielt das christliche Thema in seinem Werk eine konstante und zentrale Rolle. Er hat es sich selbst immer wieder gestellt. So, um nur ein Beispiel unter vielen zu nennen, in der Gestaltung des „Ecce Homo“ im von ihm selbst entwickelten Typus der ,,Kastenplastik“, einer bildhaft-szenischen Form der Präsentation, die dem Thema in besonderer Weise angemessen ist.
Vor allem aber hat er das christliche Thema auch immer wieder als öffentlichen Auftrag angenommen. Hier beweist sich sein leitendes bildnerisches Prinzip, sein Beharren auf körperliche Konsistenz, auf der gesammelten Form, als ideale Voraussetzung für die monumentale Vergegenwärtigung der Gewißheit des Glaubens.
Der ,,Weisende Engel“ von 1961 in der Gedenkhalle des Soldatenfriedhofs Ittenbach bei Königswinter und die Ausstattung der Herz-Jesu-Kirche in Ratingen mit Kruzifixus, Altar und Ambo von 1969/70, um wieder aus einer Vielzahl von Beispielen nur zwei herauszugreifen, bezeugen Elsners Vermögen, mit dem plastischen Werk ein orientierendes Zeichen zu setzen.
Daneben hält sich das Interesse am kleinen Format und der ihm entsprechenden intimeren Thematik durch. Gerade im Spätwerk der beiden letzten Jahrzehnte verdichtet sich noch einmal in einer Fülle von Arbeiten, in denen Elsner archetypische Situationen am Beispiel der einzelnen Figur wie der Figurengruppe vorführt, wobei die strenge Ökonomie der Motive und der Mittel mit einer so souveränen Leichtigkeit gehandhabt wird, daß dem Resultat der beglückende Charakter des Selbstverständlichen eignet. Man möchte von lächelnder Altersweisheit sprechen.
Letztlich sind monumentale Straffungen und intime Lockerung bei Elsner keine Gegensätze, die sich ausschließen. Das schönste Beispiel für seine Fähigkeit, beides in einem zu geben, ist wohl der „Rübezahl“ in der Formulierung aus dem Jahre 1955, die Elsner dann 1982 in einer überlebensgroßen Version für die Stadt Goslar ausgeführt hat. Das Werk ist ein Bekenntnis erinnernder Treue zu seiner schlesischen Heimat, die neben der christlichen Überzeugung die zweite bestimmende Instanz des Bewußtseins von Erich Elsner geblieben ist. Die Gestalt der schlesischen Sage, der Herr des Riesengebirges, Inbegriff von Kraft und Gutmütigkeit, sitzt auf dem Gipfel des Berges. Wachsam gespannt und zugleich launig gelöst, der Mund ist zum Pfeifen gespitzt, blickt der Koloß hinab auf das Tun und Treiben der Menschen in seinem Reich. Das ist, in konsequent vereinfachter, zu imponierender Wucht gesammelter Form, zugleich denkmalhaftes Zeichen und atmendes Abbild, monumentale Distanz und vertraute Nähe. Hier beweist sich der Meister.
Johannes Langner